JOSEPH BEUYS IV – Von Fett, Filz und Honig
geschrieben am 30.05.2021 von Ulrich Forster...und von einer anrührenden Geschichte:
Am 16. März 1944 stürzt ein deutsches Kampfflugzeug über der Krim ab. Zwei Menschen sitzen darin. Einer, der Pilot, ist sofort tot. Der zweite überlebt schwerverletzt und hat viel Glück. Nomadisierende Tataren finden und bergen ihn. Sie bringen ihn in ihre Jurte und weil diese naturverbundenen Völker noch nicht von einer kalt rationalistischen, von der materialistischen Weltsicht der Moderne verdorben sind, haben sie noch Zugang zu uraltem Wissen. Heilung verstehen sie nicht kühl naturwissenschaftlich als eine (mechanische) Abfolge von Ursache und Wirkung – der Mensch ist schließlich keine Maschine. Diese Tataren haben keinen Operationssaal und keine in chemischen Verfahren hergestellten Pharmazeutika. Dafür verstehen sie aber viel von Energien und Energieflüssen und von der wahren Natur von Verwundung, Krankheit und Heilung. Sie haben Schamanenwissen und Zugang zu höheren (und tieferen) Sphären der Natur und des Kosmos. Die Tataren reiben den Schwerverletzten mit Fett (Fett spendet Wärme/Energie) ein und wickeln ihn in Filz (Filz isoliert die Wärme/Energie) und füttern ihn mit Honig (Honig fließt und ist ein besonders energiereiches Nahrungsmittel). So überlebt der deutsche Soldat im Feindesland – und wird viel später die Erfahrungen aus diesem Schlüsselerlebnis in seinem Leben künstlerisch nutzen: Fett, Filz und Honig werden zu bevorzugten Materialien in seinem Kunstkosmos.
In den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde auf dem Feld der Bildhauerei sehr viel mit neuen Materialien experimentiert. Nachdem zunächst Konstrukte aus rostigem oder auch farbig lackiertem Eisen oder Edelstahl den klassischen Skulpturen aus Stein oder Bronze Konkurrenz machten (das hat seine Wurzeln schon in den 20er und 30er Jahren), testete eine junge Avantgarde nun lustvoll auch die Möglichkeiten von Kunststoffen, wie etwa Polyester, Acryl, Fiberglas und anderen modernen industriellen Werkstoffen aus – es herrschte in den Ateliers von New York, London, Mailand oder Düsseldorf geradezu ein Entdecker- und Experimentierrausch.
Man kann diese Begeisterung nachvollziehen. So lange war schließlich die Gattung Bildhauerei in ein allzu enges Korsett eingesperrt. Es gab in der europäischen Tradition der Bildhauerei so gut wie ausschließlich ein einziges Thema: Die menschliche Figur (stehend, sitzend oder liegend – manchmal auch als Gruppe). Und es gab noch dazu über Jahrtausende genau zwei Herangehensweisen, um zu den gewünschten Form-Ergebnissen zu kommen: Entweder stand am Anfang ein festes Volumen (ein Steinblock oder ein Holzstamm) aus dem man die Form herausgeschlagen hat, oder man tastete sich von innen nach außen an die Form heran, indem man ein amorphes Material nahm und es zu einer festen Form verdichtete – SKULPTUR und PLASTIK.
Wie ich in meinem Artikel zu diesem Thema beschrieben habe, kam mit der Entdeckung, dass man Skulpturen auch aus vorgefertigten Teilen konstruieren kann, indem man etwa Eisenteile, die oft aus einem ursprünglich kunstfernen, industriellen Zusammenhang stammen, schmiedet, verschweißt oder verschraubt, im 20. Jahrhundert etwas grundlegend Neues hinzu. Das ermöglichte in der Folge eine Vielzahl völlig neuer Formen. Da man sich gleichzeitig davon löste, einzig die menschliche Figur als denkbare Form der Bildhauerei anzusehen und sich zunehmend auch für abstrakte (bzw. ungegenständliche oder konkrete) Formen interessierte, wuchsen die Möglichkeiten geradezu ins Unermessliche. Natürlich war es nun sehr naheliegend, dass man, nachdem das „Monopol“ von Marmor, Holz und Bronze erst einmal gebrochen war, weiterdachte und sich fragte:
Was gibt es noch?
Norbert Krickes „Kräftebündel“ aus dem Jahr 1967 (vor dem Rheinischen Landesmuseum Bonn) ist ein typisches Beispiel für diese euphorische Aufbruchszeit der Bildhauerei in den ersten zweieinhalb Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg. Dünne Edelstahlstäbe sind zu einem raumgreifenden Gebilde verschweißt, das etwas Schwereloses an sich hat – nicht Masse und Volumen bestimmen die Skulptur, sondern luftige lineare Strukturen – eine große gestische "Zeichnung im dreidimensionalen Raum".
Zwischen Joseph Beuys und Norbert Kricke, der wie Beuys Professor für Bildhauerei an der Düsseldorfer Kunstakademie war und diese von 1972 bis 1981 auch als Rektor leitete, entwickelte sich Ende der 60er Jahre eine geradezu legendäre Gegnerschaft. Für Beuys waren die Skulpturen Krickes lediglich hohle Designobjekte, die anbiedernd perfekt zu den Glasfassaden der Konzernzentralen der Wirtschaftswunderjahre passten – Kricke hingegen war Beuys' Kunsttheorie und sein „messianisches Auftreten“ zutiefst zuwider. Am 20. 06. 1968 schreibt er in der ZEIT unter dem Titel "Kein Fall für mich" einen ätzend-polemischen Artikel, der Ausdruck dieser vollkommen unvereinbaren Gegensätze und der künstlerischen, ideologischen, politischen und menschlichen Grabenkämpfe jener Zeit ist.
"Beuys und seine Schüler schwärmen. Fanatisierte Jünger des Meisters durchlaufen die Akademie wie ferngelenkte Medien, tuscheln und rascheln und zeigen eine insektenhafte Aktivität, sind clever, eifrig und emsig wie Maos kleine Chinesen."
Wenn Joseph Beuys also damals neue Materialien in die Bildhauerei eingeführt hat, ist das zunächst einmal alles andere als einzigartig – er lag damit vielmehr voll und ganz im Zeitgeist. Und doch hat es mit Beuys‘ Materialwahl etwas grundsätzlich anderes auf sich.
So neu und für konservative Kunstbetrachter provozierend nämlich Edelstahl, Acrylglas oder Polyester als Bildhauermaterialien auch gewesen sein mögen – im Grunde genommen bedeuteten sie keinen grundlegenden Bruch mit der Tradition – sie waren einfach nur ungewohnt. Die avantgardistischen Bildhauer*innen wählten ihre neuen Materialien nämlich nicht um ihrer selbst willen aus (auch wenn der ein oder die andere sicher den provozierenden Schock des Ungewohnten mit einkalkuliert haben mag – wir befinden uns schließlich in einer Zeit, in der sich die Kunst unaufhörlich erneuern muss). Die neuen Materialien wurden von den Künstler*innen vielmehr primär auf ihr „technisches Potential“ hin befragt:
Was kann ich damit für (neue) Formen schaffen?
Wozu eignen sie sich am besten?
Einen dünnen Eisenstab kann ich an einem einzigen Punkt befestigen (schweißen, nieten oder schrauben) und er kann dann leicht und frei wie eine Linie in den Raum hineinragen – viel dünner und leichter als es mit Stein oder selbst Holz je möglich war. Aus Polyester kann man riesige Figuren formen, die aber trotzdem nur ein sehr geringes Gewicht haben, die deshalb leicht zu transportieren sind und die man bunt einfärben oder bemalen kann (siehe Niki de Saint Phalle). Acrylglas ist transparent, ebenfalls in unterschiedlich eingefärbten Varianten erhältlich und bietet deshalb wieder ganz eigene visuelle Reize…
Eine ganze Gruppe junger Bildhauer experimentierte in den 1960er Jahren auch in London mit den Möglichkeiten neuer, bislang für die Bildhauerei noch nicht genutzter Materialien. "Bird in Arras VII" aus dem Jahr 1969 ist eine Skulptur aus Stahlrohren und farbigen Acrylplatten, die der der 1937 geborene Tim Scott geschaffen hat (Besitz der Tate Gallery, London).
Er war mein Professor an der Kunstakademie und hat intensiv erzählt von jener Zeit, als die Künstler sich auf der ständigen Suche nach neuen "unverbrauchten Materialien" gegenseitig zu überbieten versuchten.
Foto: Tim Scott
Genauso haben auch die traditionellen Bildhauer gedacht: Modellierton ist ein wunderbar nützliches Material, das in der Natur in unterschiedlicher Konsistenz vorkommt. Man kann diese Konsistenz außerdem durch die Zugabe von „Schamotte“ (bereits gebrannter und zerstoßener Ton) beeinflussen, je nachdem, ob man besonders fein modellieren oder besonders große Volumen aufbauen will. Es ist das perfekte plastische Material, denn bei entsprechendem Wissen und genügendem Geschick kann der Bildhauer damit genau die Form erschaffen, die er sich vorstellt.
Marmorstein ist als klassisches Skulpturenmaterial deswegen so beliebt, weil er einerseits (frisch gebrochen) nicht zu hart oder zu spröde ist, um ihn mit Hammer und Meißel zu bearbeiten und andererseits sehr dicht und fein, so dass auch damit der erfahrene Bildhauer genau die Form hervorbringen kann, die seiner Vorstellung entspricht. Lindenholz wiederum ist weich und homogen und lässt, gut abgelagert und getrocknet, feinste Bearbeitung zu, weshalb es außerordentlich beliebt bei den Holzschnitzern des ausgehenden Mittelalters war, die daraus hochvirtuose Faltenwürfe für ihre Heiligenfiguren zauberten.
Bildhauer haben also immer überlegt:
Was für eine Form will ich schaffen und welches Material ist dafür am besten geeignet?
Oder aber Bildhauer*innen haben sich von den Möglichkeiten dessen faszinieren lassen, was man mit dem Material anfangen kann und versucht die Grenzen des Machbaren auszuloten. Dann wird die Form in starkem Maße von der Faszination für das Material sebst und von dessen Beschaffenheit und Grenzen bestimmt. Berninis Figurengruppe Apollo und Daphne, die ich hier zeige, ist ein besonders eindrucksvolles Beispiel für solch virtuoses Ausreizen der Möglichkeiten eines Materials.
Foto: Christina Hecker
Kehren wir aber nun zurück zu Honig, Fett und Filz. Was ist nun also so grundlegend anders bei Beuys und seinen Materialien? Dass man mit Fett durchaus im klassischen Sinne modellieren kann (zumindest zu einfachen Formen wie Fettecken), davon war schon in meinem letzten Beitrag zum Beuys-Jubiläum die Rede. Aber Beuys wählt das ungewöhnliche Material natürlich NICHT primär wegen dieser „plastischen“ Eigenschaft aus. Noch viel weniger ist das bei Filz oder Honig der Fall (oder bei Knochen, Erde, Blei, toten Hasen oder Kupferrohren, die ebenfalls zum Materialkosmos von Beuys gehören). Es geht ihm nicht darum, dass bestimmte physikalische Eigenschaften, das Material in besonderer Weise dazu prädestinieren, bestimmte Formen hervorzubringen oder (wie im Fall der Bronze) Formen dauerhaft haltbar zu machen.
In der klassischen Bildhauerei ist das Material in erster Linie Mittel zum Zweck. Dieser Zweck aber ist die FORM. Das Material kann dabei durchaus seinen eigenen Reiz, seine ganz eigene Ausstrahlung haben (Stein wirkt eher kühl, Holz dagegen warm, Stahl kann glänzend aber auch aggressiv wirken). In den allermeisten Fällen spielte das aber eine bestenfalls untergeordnete Rolle – meist wurden Skulpturen in früheren Zeiten sogar vollständig bemalt und vom ursprünglichen Material war am Ende kaum mehr etwas zu sehen.
So wichtig also auch die Wahl des richtigen Materials für die Bildhauer immer gewesen ist, am Ende hatte es sich dem eigentlichen Zweck unterzuordnen: Der Form, die aus ihm hervorgebracht wurde. Die Form selbst ist bedeutend und hat eine Bedeutung (bis ins 19. Jahrhundert vor allem dadurch, dass sie etwas darstellte, was wir als Marienfigur, Venus, Herkules… erkennen konnten) Bei Beuys aber ist das Material selbst „das Eigentliche“ – das wesentliche Element. Das Material hat keinen dienenden Zweck mehr, es ist hingegen selbst mit einer eigenen inhaltlichen Bedeutung aufgeladen.
„Joseph Beuys, die Materialien und ihre Botschaft“
...hieß eine Ausstellung, die vom November 2006 bis März 2007 im (Beuys-) Museum Schloss Moyland bei Kleve zu sehen war.
„Filz, Fett, Honig, Blut, Gold…zur Materialikonografie bei Josef Beuys“
...lautete der Titel eines begleitenden Symposiums.
„Material-Ikonografie“ – das ist das Stichwort, das uns einen wichtigen Hinweis zum Verständnis von Beuys‘ Materialwahl, aber auch zu seiner gesamten Kunstauffassung liefern kann.
Ikonografie ist Inhaltsdeutung
Wer sich mit der Ikonografie christlicher Motive auskennt, kann mittelalterliche oder frühneuzeitliche Bilder inhaltlich „lesen“, weil er versteht, welche Bedeutung „in sie hineingeschrieben“ ist (griechisch: eikon graphein = „Bild“ „schreiben“). Er versteht, dass der Apfel in der Hand des Christuskinds auf Stefan Lochners „Madonna im Rosenhag“ (aus dem Kölner Wallraf-Richartz-Museum) eine Anspielung auf die Umkehrung der Erbsünde durch den künftigen Kreuzestod Christi ist, kann in den zahlreichen dekorativen Blümchen, die man auf dem Bildchen entdecken kann (Rose, Lilie, Akelei, Maiglöckchen…) unterschiedliche Mariensymbole erkennen und vielleicht weiß er sogar, dass die Pfauenfedern eines der musizierenden Engel Symbol für die „spirituelle Wiedergeburt“, also für die Auferstehung Christi, sind… Um diese Symbolik(en) verstehen zu können, muss man sich übrigens nicht unbedingt besonders eingehend mit Stefan Lochner beschäftigt haben – der hat sich das alles nämlich gar nicht selbst ausgedacht.
Die Bildsprache der christlichen Symbole und Zeichen ist überhaupt nicht von Künstlern erfunden worden, sondern hat sich in einem jahrhundertelangen Prozess herausgebildet und wurde primär von Theologen erdacht, die um die christliche Wahrheit rangen und diese mit Hilfe von Bildern verständlich (oder ausdrückbar) machen wollten. Der Maler des Mittelalters und der frühen Neuzeit hatte nicht die Aufgabe, sich inhaltliche Botschaften auszudenken. Sein Job war es, diese (von anderen entwickelte) Symbolsprache und ihre Botschaften auf besonders raffinierte Weise sinnlich erlebbar zu machen und sein Ehrgeiz bestand darin, sie feiner, raffinierter, subtiler, spannungsreicher oder virtuoser in einem Bild oder in einer Skulptur umzusetzen.
In einem Prozess, der irgendwann in der frühen Neuzeit beginnt und sich über mehrere Jahrhunderte hinzieht, haben die Künstler nach und nach immer mehr diese dienenden und nachgeordnete Rolle abgelegt. Besonderen Schwung bekommt dieser Emanzipationsprozess dann im 19. Jahrhundert mit der Entwicklung auf die frühe Moderne hin.
So kennen wir die (Kunst-) Geschichte alle und verstehen sie gewöhnlich als die Erzählung einer Befreiung – der Befreiung des autonomen (Künstler-) Individuums aus der Knechtschaft und den Zwängen von Religion und Herrschaft.
In welche Freiheit aber sollte den Künstler und mit ihm die Kunst dieser Weg eigentlich führen?
Welche Folgen hat „DIE FREIHEIT“ am Ende für „DIE KUNST“?
Das sind Fragen, über die sich sowohl Künstler als auch Kunsttheoretiker und Kunstliebhaber seit sehr langer Zeit sehr heftig streiten. Es ist ein Streit, der sich gerade an der Figur Joseph Beuys und an seiner Kunst bis heute besonders heftig entzünden kann, denn er nimmt eine besonders radikale Position in dieser Frage ein.
Mit einem letzten Aufsatz will ich am kommenden Sonntag meinen Versuch der Auseinandersetzung mit Joseph Beuys, seinem Werk und seiner Kunsttheorie beenden. Dann werde ich genau an diesem Punkt noch einmal ansetzen und werde versuchen den Bogen zu schließen.
Foto: Erich Puls (www.flickr.com) CC-BY 2.0
Als wichtige Ergänzung zu meinen eigenen Gedanken möchte ich euch heute noch einen sehr interessanten Radiobeitrag des Deutschlandfunks ans Herz legen. Er zeigt Joseph Beuys und seine Ideen, die lange Zeit vor allem aus der historisch-politischen Situation der (links-)revolutionären Umbruchszeit um das Jahr 1968 verstanden wurden, unter einem ganz anderen Aspekt, den auch ich für sehr wichtig halte: Seine Prägung durch eine tief verwurzelte (niederrheinische) Religiosität. Wird einem das klarer, versteht man auch besser, warum er sich (so wie die Kunst des Mittelalters) eine ganz eigene Ikonografie erschafft. Eine Ikonografie, die sich nicht ausschließlich aber doch ganz wesentlich aus der Bedeutung seiner bevorzugten Materialien speist. Eine neue Ikonografie einer quasi-religiösen allumfassenden Welt- und Wertevorstellung, deren Vermittlung seine Kunst dient. Wer nun aber noch einmal zurückdenkt über das, was ich über die Entstehung der mittelalterlich-christlichen Ikonografie geschrieben habe, dem wird klar: Beuys Rolle hat dabei tatsächlich sehr wenig mit der des mittelalterlichen Künstlers zu tun, sehr viel dagegen mit der des Priesters und Theologen.
So müssen wir ihn tatsächlich verstehen:
Beuys ist Prophet, Verkünder, Anführer und Schamane – auf keinen Fall will er bloß virtuoser Handwerker sein im Kosmos der Religion seines erweiterten Kunstbegriffs…
Wenn ich etwas Schamanisches mache, nehme ich das schamanische Element – zweifellos ein Element der Vergangenheit – um über eine zukünftige Möglichkeit eine Aussage zu machen. Ich wende mich zurück, indem ich nach vorne durchbreche.
Joseph BeuysEr nimmt es auf sich für uns alle. Das ist sein Anspruch: Vertreter im Leiden, er spielt den Messias, er will uns bekehren, er will die Akademie die Rolle der Kirchen übernehmen lassen – das ist für mich sein Jesus-Kitsch.
Die ersatzkünstlerische, ausweichende, formlose Sendung und Heilandsmanier steigert sich ins Unerträgliche...
Der Mensch kann mit Wesen sprechen, die höher sind als sein kurzfristiger intellektueller Verstand. Er kann mit seinem Ich in Kontakt kommen, er kann mit einem Engel sprechen und damit ist ja das Bild des Menschen bis zum Gottesbegriff groß. Und ich möchte es nicht so klein halten, wie es der Materialismus hat schrumpfen lassen.
Joseph BeuysNACHTRAG:
Längst ist die „Tatarenlegende“, die Joseph Beuys seit den 70er Jahren wiederholt erzählt hat und die auf so ergreifende Weise nachvollziehbar macht, welche tatsächliche und nicht nur erdachte Bedeutung Fett, Filz und Honig für ihn und in seinem Werk haben, als eine ebensolche entlarvt worden: Als reine erfundene Legende.
Es hat diese Tataren mit ihrem Schamanenwissen, die den verunglückten Beuys aus dem brennenden Flugzeugwrack geborgen und gesund gepflegt haben, nie gegeben. Der junge Bordfunker wurde sehr schnell von Sanitätern der Wehrmacht gefunden und auf gänzlich profane Weise „schulmedizinisch“ zur möglichst raschen Weiterverwendung im Kriegsdienst – für den Dienst am bald schon untergehenden "Tausendjährigen Reich" – wiederhergestellt.
War die Erfindung der schönen Geschichte nun nüchternes Kalkül eines Marketinggenies? Oder war es die (Nach-)Erzählung eines Fiebertraums? War das ein übler Schwindel oder müssen wir auch die Erfindung der Tatarenlegende als Kunst – als literarisch-biografische Geschichtenerzählung und damit als kreatives Werk der Fantasie verstehen?
Die Verwandtschaft zu Mythen und Legenden um Heilige und Religionsstifter ist jedenfalls nicht zu übersehen...
Hier noch der Link zu der wirklich spannenden und aufschlussreichen Radio-Sendung des Deutschlandfunks: JOSEPH BEUYS UND DIE RELIGION